Diskussion:Le devin du village
Letzter Kommentar: vor 8 Jahren von Motmel
@Summ: Darf ich dich was fragen?
1. Der Wahrsager gibt ihr "einen guten Rat". Weißt du, woher der Ausdruck in der Literatur "vermeintlicher Zauberer" kommt, wenn er bloß einen guten Rat gibt? 2. Was meinst du mit "maliziöser Parodie"? Maliziös bedeutet doch eher Schlechtgewolltes, oder? Dagegen heißt es, M-J Favart habe nur die Bühnenkleidung vereinfacht (Leinen, Holzschuhe) und Rousseaus Text in den bäuerlichen Dialekt gehievt, aber sonst nichts verulkt oder gar verlacht. Was denkst Du? Schönen Abend noch--Momel ♫♫♪ 20:03, 21. Aug. 2016 (CEST)
- Rousseau wollte sich den Naturzustand sicher nicht als religiöse Herrschaft von Schamanen vorstellen. Das hätte auch nicht seinem Bildungsideal (Emile oder über die Erziehung) entsprochen. – Meines Wissens war Favarts Parodie durchaus eine grobe Verulkung. Das war üblich so, trug aber zum Ruhm der parodierten Originale bei. --Summ (Diskussion) 20:11, 21. Aug. 2016 (CEST)
- Danke! Naturzustand – das leuchtet ein.
- Zur Parodie: Bei Hugo Blank steht ausdrücklich "nicht verulkt". Tja, ich sollte Favart selbst lesen, muss aber dafür französische Feinheiten unterscheiden, die ich wohl nicht hinbringe... Apropos Erziehung: R. hat seine fünf Kinder ins Findelhaus gegeben. Ich will aber keinesfalls hier polemisieren.
- Nochwas: Mozart hatte vielleicht den Mesmerismus im Sinn bei seinem Colas in Bastien und Bastienne. In Cosi fan' tutte hat er dann sowas wirklich verulkt.--Momel ♫♫♪ 22:55, 21. Aug. 2016 (CEST)
- Bei dieser Art Parodie musste man davon ausgehen, dass die meisten Zuschauer das Original nicht kennen, weil ein Besuch der Opéra schlicht zu teuer war für sie. Man konnte also nicht mit dem vergleichenden Wiedererkennungseffekt arbeiten. Ich finde Favarts Libretto sehr lustig. Die Landleute kommentieren immer wieder ihre eigene Naivität, vergleichen sie mit der Pariser Lebensweise, und der Dialekt ist ziemlich krass. Hinzu kommt die Komik, dass nach Vaudeville-Art die Gesangstexte zu bekannten Melodien gesungen wurden, hinter denen sich eine Menge Anspielungen verstecken. Weiskern verstand weder den Dialekt noch die Anspielungen, was man ihm nicht verübeln kann. Das Resultat ist allerdings eine starke Vereinfachung. Für Mozart war das in dem Moment wohl der richtige Text. Um seine Ansichten über Weltpolitik, Galanterie oder Mesmerismus in die Komposition einfließen zu lassen, war er wohl noch zu klein. --Summ (Diskussion) 23:47, 21. Aug. 2016 (CEST)
- Ich seh schon, du kennst die Parodie. Danke sehr für deine Einschätzung! Im Moment kann ich höchstens bei Mozart mitreden, da ich Proben zu einer Aufführung miterlebe: also seine Musik ist derartig lebendig und geht auf die psychologischen Scherze ein, dass ich finde, es könnte gar nicht erwachsener komponiert sein. Und tatsächlich, die c-Moll Arie des Colas hat magische Momente wie einen auffälligen Schein (verbotener) Quintparallen, was bei seiner sonst perfekten Stimmführungstechnik (!) tolle Wirkung macht. Das ist insofern kein kleiner Junge mehr!--Momel ♫♫♪ 10:59, 22. Aug. 2016 (CEST)
- Dann viel Spaß! Ich sehe den Stellenwert der Mozart-Fassung darin, dass man "natürliches" Talent feiern wollte, und diese moderne Haltung war zum Teil ein Verdienst Rousseaus. Mesmer, der eine neue Richtung der Medizin vertrat, war bereit, viel privates Geld für die Aufführung des Stücks auszugeben (wer wäre das heute noch?). Er wollte selbst anerkannt werden, und die Gesellschaft förderte Menschen, die anerkannt werden wollten. Diesen Arzt lächerlich zu machen (heute wissen wir, dass sich seine Praktiken nicht längerfristig durchgesetzt haben), war für Mozart keine Option. --Summ (Diskussion) 11:24, 22. Aug. 2016 (CEST)
- Von der Seite hab ich das nicht gesehen. Ich finde nur die "magische" Haltung in der Arie. Und fragte mich in dem Zusammenhang, ob der Ausdruck "vermeintlicher Zauberer", dem ich verschiedentlich begegnet bin, von einer solchen grundsätzlichen Tendenz zu einer solchen Definition ausgeht. Wahrscheinlich ist sowieso noch nicht alles gesagt, das Original ruht ja noch (unausgewertet) in Krakau. Der Verdienst von Rousseau ist wirklich ein "aufklärerischer". Aber auch Freud lässt schon grüßen...--Momel ♫♫♪ 11:40, 22. Aug. 2016 (CEST)
- Rousseau wollte sicherlich das Vanitasmotiv des lächerlichen Arztes vermeiden, das in der Opera buffa immer wieder vorkommt. Der Dorfwahrsager als eine Hauptfigur, die seltsam im Hintergrund bleibt, ist eigentlich ein Aufklärer, mit seinem Buch, seinem gesunden Menschenverstand und seinen menschlichen Schwächen. Weiskern und Mozart (und auch schon Favart) haben den Scharlatan (in Gestalt des Dottore) auf eine burleske, nicht verletzende Art wieder hineingebracht. Wohl einfach, weil das so publikumswirksam ist. --Summ (Diskussion) 13:06, 22. Aug. 2016 (CEST)
- Hm. Könnte tatsächlich so sein. is ja alles soooo interessant! Stimmt übrigens: weil es so publikumswirksam ist. Und ja, der Colas bleibt tatsächlich irgendwie im Hintergrund, er hält sich zurück, er will den beiden eben helfen. Aber seine große Arie ist bedeutend. Und dazu singen zwei Kinder, 13 und 15 Jahre alt, einfach zum Entzücken.--Momel ♫♫♪ 18:28, 22. Aug. 2016 (CEST)
- Rousseau wollte sicherlich das Vanitasmotiv des lächerlichen Arztes vermeiden, das in der Opera buffa immer wieder vorkommt. Der Dorfwahrsager als eine Hauptfigur, die seltsam im Hintergrund bleibt, ist eigentlich ein Aufklärer, mit seinem Buch, seinem gesunden Menschenverstand und seinen menschlichen Schwächen. Weiskern und Mozart (und auch schon Favart) haben den Scharlatan (in Gestalt des Dottore) auf eine burleske, nicht verletzende Art wieder hineingebracht. Wohl einfach, weil das so publikumswirksam ist. --Summ (Diskussion) 13:06, 22. Aug. 2016 (CEST)
- Von der Seite hab ich das nicht gesehen. Ich finde nur die "magische" Haltung in der Arie. Und fragte mich in dem Zusammenhang, ob der Ausdruck "vermeintlicher Zauberer", dem ich verschiedentlich begegnet bin, von einer solchen grundsätzlichen Tendenz zu einer solchen Definition ausgeht. Wahrscheinlich ist sowieso noch nicht alles gesagt, das Original ruht ja noch (unausgewertet) in Krakau. Der Verdienst von Rousseau ist wirklich ein "aufklärerischer". Aber auch Freud lässt schon grüßen...--Momel ♫♫♪ 11:40, 22. Aug. 2016 (CEST)
- Dann viel Spaß! Ich sehe den Stellenwert der Mozart-Fassung darin, dass man "natürliches" Talent feiern wollte, und diese moderne Haltung war zum Teil ein Verdienst Rousseaus. Mesmer, der eine neue Richtung der Medizin vertrat, war bereit, viel privates Geld für die Aufführung des Stücks auszugeben (wer wäre das heute noch?). Er wollte selbst anerkannt werden, und die Gesellschaft förderte Menschen, die anerkannt werden wollten. Diesen Arzt lächerlich zu machen (heute wissen wir, dass sich seine Praktiken nicht längerfristig durchgesetzt haben), war für Mozart keine Option. --Summ (Diskussion) 11:24, 22. Aug. 2016 (CEST)
- Ich seh schon, du kennst die Parodie. Danke sehr für deine Einschätzung! Im Moment kann ich höchstens bei Mozart mitreden, da ich Proben zu einer Aufführung miterlebe: also seine Musik ist derartig lebendig und geht auf die psychologischen Scherze ein, dass ich finde, es könnte gar nicht erwachsener komponiert sein. Und tatsächlich, die c-Moll Arie des Colas hat magische Momente wie einen auffälligen Schein (verbotener) Quintparallen, was bei seiner sonst perfekten Stimmführungstechnik (!) tolle Wirkung macht. Das ist insofern kein kleiner Junge mehr!--Momel ♫♫♪ 10:59, 22. Aug. 2016 (CEST)
- Bei dieser Art Parodie musste man davon ausgehen, dass die meisten Zuschauer das Original nicht kennen, weil ein Besuch der Opéra schlicht zu teuer war für sie. Man konnte also nicht mit dem vergleichenden Wiedererkennungseffekt arbeiten. Ich finde Favarts Libretto sehr lustig. Die Landleute kommentieren immer wieder ihre eigene Naivität, vergleichen sie mit der Pariser Lebensweise, und der Dialekt ist ziemlich krass. Hinzu kommt die Komik, dass nach Vaudeville-Art die Gesangstexte zu bekannten Melodien gesungen wurden, hinter denen sich eine Menge Anspielungen verstecken. Weiskern verstand weder den Dialekt noch die Anspielungen, was man ihm nicht verübeln kann. Das Resultat ist allerdings eine starke Vereinfachung. Für Mozart war das in dem Moment wohl der richtige Text. Um seine Ansichten über Weltpolitik, Galanterie oder Mesmerismus in die Komposition einfließen zu lassen, war er wohl noch zu klein. --Summ (Diskussion) 23:47, 21. Aug. 2016 (CEST)